Nicolas Nowack, Maryse Dewey, Maria Teschner, Nadja Händel, Mandy Straczkowski

Stand unserer Erhebungen zur Umsetzung der Ambulanten Soziotherapie für chronisch psychisch Kranke

Die Ambulante Soziotherapie für chronisch psychisch Kranke, die im SGB V (§ 37 a) auch gesetzlich verankert ist, könnte seit dem 01.01.2002 in Deutschland umgesetzt werden und dazu beitragen, dass Betroffene, die krankheitsbedingt die vorhandenen psychiatrischen Hilfen nicht selbständig aufsuchen, Hilfe erhalten, bevor sie erneut dekompensieren. Soweit die Theorie.

Die Praxis sieht jedoch so aus, dass die Ambulante Soziotherapie in Deutschland bisher (Stand Juni 2003) fast noch nicht eingeführt worden ist. (Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt dabei Rheinland-Pfalz dar.) Wir haben es uns daher zur Aufgabe gesetzt, die Realisierung der Ambulanten Soziotherapie bundesweit laufend zu untersuchen. Da die Ambulante Soziotherapie eine verbesserte Versorgung chronisch psychisch Kranker mit besseren Behandlungserfolgen und außerdem erhebliche Kosteneinsparungen in Höhe von etwa 1 Mio. EURO pro Tag (durch verhinderte psychiatrische Krankenhausaufenthalte, nach Abzug der Kosten für die Ambulante Soziotherapie) erwarten lässt, hoffen wir mit unserer Arbeit auch zu einer bundesweiten Einführung dieser uns sinnvoll erscheinenden GKV-Leistung beizutragen. Wir sind eine Arbeitsgruppe aus dem Studiengang Rehabilitations-Psychologie der Hochschule (FH) Magdeburg-Stendal am Standort Stendal. Die TeilnehmerInnen unseres Projekts sind Studierende der Rehabilitationspsychologie sowie der Projektleiter Dr. Nicolas Nowack der in Stendal insbesondere Sozialpsychiatrie lehrt. Unterstützt wurde und wird unsere Arbeit durch andere Lehrende sowie durch im psychiatrischen oder politischen Bereich Tätige u. a. In Seminaren und Vorlesungen haben wir uns auch mit den Problemen chronisch psychisch Kranker beschäftigt und entschieden uns, die Ambulante Soziotherapie - neben den übrigen Aufgaben aller ProjektteilnehmerInnen - wissenschaftlich zu begleiten. Das heißt, wenn die Ambulante Soziotherapie erst einmal bundesweit und auch in unserem Bundesland Sachsen-Anhalt halbwegs umgesetzt sein sollte, möchten wir sie auch evaluieren. Wie wir aus unseren wiederholten Erhebungen bei Landesverbänden der Krankenkassen feststellten, scheint die Realisierung der Ambulanten Soziotherapie aber an unrealistischen bzw. zu hohen Zulassungsvoraussetzungen der Kassen für die potenziellen Erbringer der Ambulanten Soziotherapie bislang zu scheitern, möglicherweise, weil die Ambulante Soziotherapie trotz einer vielversprechenden Studie im Auftrag der Krankenkassen - auf Skepsis bei den Kostenträgern trifft und diese möglicherweise durch diese neuen Leistungen neue Kosten befürchten (evtl. auch weil sie erwarten, bei vermiedenen psychiatrischen Krankenhaus-aufenthalten für eventuell frei gebliebene Betten Ausgleichszahlungen an die Krankenhäuser leisten zu müssen). Weitere Hinderungsgründe aus Kassensicht könnten darstellen: Die erwartete große Zahl potenzieller (Soziotherapie-) Empfänger (bis etwa 80.000), die zur Beurteilung der Möglichkeiten der Ambulanten Soziotherapie zwangsläufig vorauszusetzende spezielle psychiatrische Kompetenz und die vergleichsweise geringe politische Unterstützung chronisch psychisch Kranker. Nicht nur die geschehene gesetzliche Einführung der Ambulanten Soziotherapie, sondern gerade deren Umsetzung dürfte daher auch von der Unterstützung politisch Verantwortlicher mit abhängen. (Wobei unsere Anschreiben mit Fragen zur Ambulanten Soziotherapie an das Bundesministerium für Gesundheit von diesem bisher nur unverständig beantwortet wurden.) Daher wurden auch alle Gesundheits-ministerInnen der Bundesländer mit einer kurzen, ähnlichen Fragenliste zur Ambulanten Soziotherapie von uns angeschrieben. Neben den Fachveröffentlichungen aus unserer Projektgruppe (siehe auch Literaturliste im Anhang) wurden auch diverse psychiatrisch (direkt oder auf Fachtagungen), journalistisch oder politisch Tätige etc. auf die Problematik chronisch psychisch Kranker und der Ambulanten Soziotherapie von uns hingewiesen. Inwieweit die Ambulante Soziotherapie, auch nach all unseren bisherigen und zukünftigen Aktivitäten, umgesetzt werden wird, bleibt abzuwarten.

Immerhin ist zu konstatieren, dass teilweise im zeitlichen Zusammenhang mit unseren Aktivitäten es zu Sensibilisierungen für das Thema und zu ersten Schritten in Richtung einer bundesweiten Einführung der Ambulanten Soziotherapie gekommen ist.


Literatur:

Eigene Veröffentlichungen zur Ambulanten Soziotherapie (Auswahl)


Nowack, N.: Ambulante Soziotherapie - Bisher ein Papiertiger. Dt. Ärzteblatt 2002, 99, Heft 45: A 2992 - 2994

Nowack, N.: Ambulante Soziotherapie - Bisher ein Papiertiger. Dt. Ärzteblatt für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten 2002, Heft 12: 546 -547

Nowack, N.: Ambulante Soziotherapie - Für chronisch psychisch Kranke - nur auf dem Papier. Sozialmagazin 2003, 28, 2: 60 - 61

Nowack, N.: Gesundheitsversorgung chronisch psychisch Kranker - Stand der Ambulanten Soziotherapie. Vortrag beim "Gesundheitspolitischen Kolloquium" am 22.03.2003 im Hotel Dorint; Veranstalter: Klinikum Nord-Ochsenzoll, ChA Dr. med. J. Novikov, Langenhorner Chaussee 560, 22419 Hamburg, 22.03.2003

Nowack, N.: Bisher nur ein Papiertiger ... Ambulante Soziotherapie. Soziale Psychiatrie 2003, 27. Jg., 2: 36 - 37

Nowack, N.: Ambulante Soziotherapie - bleibt sie eine virtuelle Leistung? Verhaltenstherapie & psychosoziale Praxis 2003, 35, Heft 2: 373 - 376

Nowack, N.: Anmerkung zum Stand der Ambulanten Soziotherapie. Angenommen zur Veröffentlichung in: Nowack, N. (Hrg.): Interdisziplinäre Rehabilitation chronisch psychisch Kranker. Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2003

Nowack, N.: Nachtrag zu: Ambulante Soziotherapie - bleibt sie eine virtuelle Leistung? Angenommen zur Veröffentlichung in: Verhaltenstherapie und Psychosoziale Praxis 2003


Veröffentlichungen (auch in der Populärpresse), die aus o. g. Fachpublikationen
zitierten bzw. über unser Projekt berichteten (Auswahl)

Altmark-Zeitung: Theorie und Praxis unter einem Professoren-Hut - Fachbereich
Sozialpsychiatrie im Stendaler Studiengang Rehabilitationspsychologie zeigt Missstand auf. Altmark-Zeitung vom 13.11.2002

Krasberg, B.: Skandal um Ambulante Soziotherapie. Mitteldeutscher Rundfunk (MDR I), 28.11.2002, 8.45 Uhr

Keunecke, G.: Hilfe ohne Lobby. (Wissenschaftsteil in:) Süddeutsche Zeitung vom 07.01.2003

Jakubowski, B.: 1. Salzwedeler Sozialpsychiatrie-Tag - alle Menschen für das Problem gewinnen. SonntagsNachrichten vom 23.02.2003

Melchinger, H., W. Machleidt: Ambulante Soziotherapie als Kassenleistung - ein Schritt nach vorn in der Psychiatriereform? Angenommen zur Veröffentlichung in: Krankenhauspsychiatrie 2003

Korrespondenz-Adresse:
Dr. med. N. Nowack
Zentrum für Soziale Psychiatrie Salzwedel
Hoyersburger Str. 60
D - 29410 Salzwedel

eMail: psych-ph-saw@t-online.de

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